Sie ist der andere Blick Christiana Perschon
90 Min, AT-2018, Drehformat: Digital, 16mm, Super8 Film
Regie, Konzept, Kamera, Schnitt, Produktion: Christiana Perschon | Zweite Kamera: Patrick Wally | Ton: Paul Porenta, Stefan Voglsinger | Filmlabor: Filmkoop Wien, Stefanie Weberhofer | Film Scan: Österreichisches Filmmuseum, Stefanie Zingl | Farbe: Matthias Tomasi | Sounddesign: Karim Weth | Tonmischung: Alexander Koller | Kollaboration mit Renate Bertlmann, Linda Christanell, Lore Heuermann, Karin Mack, Margot Pilz und Iris Dostal. Gefördert von BKA Innovative Film Austria, Wien Kultur, Land Niederösterreich Kultur, Theodor Körner Preis 2018
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She is the other gaze
It all depends on resonance.
If we get no resonance, we do not have any opportunities.
We do not exist.
You know, you only see the things you have in your consciousness.
It’ s about being present here and now.
More tea for you?
Every encounter with an image, every interaction searches for its own form. She is the other gaze is a collaboration with five female visual artists of an older generation who have been part of the Viennese art scene since the 1970s and engaged in the women's movement. In dialogue with the filmmaker Renate Bertlmann, Linda Christanell, Lore Heuermann, Karin Mack and Margot Pilz share their early works and artistic practices. They remember how their self-determination evolved between artistic ambitions, economic constraints, adaptation and resistance to the prevailing patriarchal social structures. In their role as feminist pioneers the protagonists are a great influence on the contemporary art scene and the self-understanding of younger artists today. With their voices and narratives they become collaborators passing on feminist thinking and artistic experiences.
Es hängt alles von der Resonanz ab.
Wenn wir keine Resonanz kriegen, bekommen wir keine Möglichkeiten.
Dann existieren wir nicht.
Du siehst nur das was du im Bewusstsein hast, weißt du.
Es geht darum im Moment zu sein.
Noch Tee für dich?
Sehen kann durch den Blick der Anderen zu einer Begegnung werden. Stumme 16mm-Sequenzen, in denen die junge Künstlerin Iris Dostal Leinwände weiß grundiert, schaffen Projektionsflächen für Narration und Werk einer älteren Generation. Sie ist der andere Blick ist eine Kollaboration mit Künstlerinnen, die in den 1970er-Jahren in der Wiener Kunstszene aktiv sind und sich in der Frauenbewegung engagieren. Treffpunkt für den Dialog mit Renate Bertlmann, Linda Christanell, Lore Heuermann, Karin Mack und Margot Pilz – alle zwischen 1936 und 1943 geboren – ist das Atelier der Filmemacherin: ein Dazwischen-Sehen, bei dem Gedanken über Selbstbestimmtheit im Werdegang der Künstlerinnen und Widerständigkeit gegen die vorherrschenden patriarchalen Gesellschaftsstrukturen geteilt werden. Die Kamera lotet als dazwischengeschobene Apparatur feinsinnige Formen aus, die frühere Werke in filmische Bilder transformiert und in Bewegung setzt.
FESTIVAL & PREISE
beste Bildgestaltung Dokumentarfilm, Diagonale
Begründung der Jury (Philipp Jedicke, Jurij Meden, Seraina Rohrer): „Christiana Perschon nähert sich den Künstlerinnen und deren Werken mit bis ins letzte Detail durchkomponierten Bildern. Mit ihrer Kamera lenkt sie unseren Blick auf die Essenz der Werke und macht diese erlebbar. Ihr gelingt es, sehr unterschiedliche künstlerische Ausdrucksweisen in einem eigenen künstlerischen Ausdruck zu vereinen und schafft dadurch ein Kunstwerk mit großer Strahlkraft.“
Pressespiegel
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Grundsätzliches
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Ein fulminantes Porträt feministischer Kunstpionierinnen aus Wien. Die Idee, ein dokumentarisches Experiment über fünf visionäre österreichische Künstlerinnen als Kollaboration mit diesen entstehen zu lassen, ist ebenso gut wie selten; denn sie erfordert nicht nur Intelligenz und Respekt, sondern auch ein gewisses Maß an Demut. Die Filmemacherin Christiana Perschon besitzt all dies.
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Sie ist der andere Blick von Christiana Perschon ist kein Film wie jeder andere. Er ist Dokument, künstlerische Annäherung, ein mit filmischen Mitteln geführter Dialog mit kunstschaffenden Frauen einer anderen Generation. Ein sehenswerter, nicht zuletzt genauso politischer wie poetischer Film.
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„Der „magische Materialismus“ findet sich in einem bemerkenswerten Film von Christiana Perschon, der mit einer Handvoll Künstlerinnen der feministischen Wiener Avantgarde der späten 60er auf fast experimentelle Art die Dialektik zwischen Material, patriarchalen Kreativitätshindernissen und widerständiger Kunstarbeit verhandelt. Dabei schafft Sie ist der andere Blick mit einer intelligenten Mischung aus Konzept und improvisierender Spontaneität, die Verletzungen von Frauenleben ohne direkte biografische Eröffnungen zu zeigen – und das Kunstmachen ohne die üblichen scheinprivaten Ateliereinblicke. Ein Film, dem man gemeinsam mit seiner jungen klugen Regisseurin noch einen weiten erfolgreichen Weg wünscht.
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Kunst der Vermittlung: Damit ist bereits eine der großen Qualitäten von Sie ist der andere Blick benannt: Als Porträtfilm begnügt er sich nicht damit, seine Protagonistinnen in Wort und Bild festzuhalten. Er begreift die Vermittlung von Kunst selbst als ästhetische Herausforderung. Perschon porträtiert mit ihrem Film Vorbilder, die zu einem eigenständigen, ja feministischen Ausdruck gefunden haben. Das schönste Kompliment macht sie ihnen damit, dass sie ihrer Maxime des Eigensinns folgt.
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Sie sind um das Jahr 1940 geboren und machen Kunst: für ihren Film Sie ist der andere Blick hat Christiana Perschon fünf Künstlerinnen erzählen lassen, wie sie trotz massiver Widerstände und Verhinderungsmaßnahmen als Frauen arbeiten konnten.
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Sie ist der andere Blick zeigt Positionen feministischer Kunst mit allem Respekt und mit aller Feinfühligkeit, die den fünf Pionierinnen gebührt.
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Mit einer außergewöhnlichen Bildsprache, die den Kunstwerken ebenso viel Raum gibt wie den Künstlerinnen und diesen Raum immer wieder mit einer gekonnten Gesprächsstille unterbricht, die einem sowohl Zeit gibt, das Gesagte zu verarbeiten, als auch die Filmbilder und leisen Töne auf sich wirken zu lassen, gestaltet Christiana Perschon in ihrem Atelier ein faszinierendes Kaleidoskop an Geschichten, Bildern, Aussagen, Interpretationen und Betrachtungen.
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Weil Perschon ihre Kamera als Mittel begreift, gestalterische Möglichkeiten auszuloten, die Werke ihrer Protagonistinnen in filmische Bilder zu überführen, kreiert sie so mit den Künstlerinnen gemeinsam einen konstellativen, audiovisuellen Denkraum über Strategien der Aneignung. Sie ist der andere Blick durchdringt auf diese Weise sein Sujet, schafft exakt jene Resonanz und jenes Bewusstsein, das zur Sichtbarmachung notwendig ist.
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Die junge Filmemacherin steht den porträtierten Künstlerinnen in der Aussagekraft ihrer Bildkompositionen um nichts nach. Wenn die Künstlerinnen ihre Arbeit erörtern oder während Perschon sie filmt, wird Kunst innerhalb von Kunst geschaffen.
REGIESTATMENT
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Sehen kann durch den Blick der Anderen zu einer Begegnung werden. Stumme Sequenzen, mit einer 16mm-Bolex-Kamera gedreht, sensibilisieren zu Beginn des Films für das, was zwischen Künstlerin und Bildträger stattfindet. Die von der Künstlerin Iris Dostal weiß grundierten Malerleinwände schaffen Projektionsflächen für die Narration im Prolog, der den Bogen zwischen der gegenwärtigen Künstlerinnengeneration und deren Wegbereiterinnen spannt. Der Film geht von dem Moment aus, in dem Beobachtung, Erfahrung und Vorstellungskraft auf einen Bildträger treffen: Sei es eine grundierte Leinwand oder die lichtempfindliche Emulsion von analogem Film.
Sie ist der andere Blick ist eine Kollaboration mit Künstlerinnen einer älteren Generation, die in den 1970er-Jahren Teil der Wiener Kunstszene sind und sich in der Frauenbewegung engagieren. Treffpunkt für den Dialog mit den Künstlerinnen – Renate Bertlmann, Linda Christanell, Lore Heuermann, Karin Mack und Margot Pilz – ist mein Atelier: ein Dazwischen-Sehen, bei dem Gedanken über Selbstbestimmtheit und Selbstverständnis im Werdegang der Künstlerinnen geteilt und ihre künstlerischen Arbeiten durch den Kamerablick in Bewegung versetzt werden. Die Protagonistinnen, die in ihrer Vorreiterinnenrolle die zeitgenössische Kunst und das Selbstverständnis von Künstlerinnen in der Gegenwart prägen, erzählen über künstlerische Ambitionen, wirtschaftliche Zwänge, Angepasstheit und Widerständigkeit gegen die vorherrschenden patriarchalen Gesellschaftsstrukturen. Mit ihren Stimmen und (frühen) Werken werden die Künstlerinnen selbst zu Bildträgerinnen einer feministisch-künstlerischen Haltung.
Es ist immer Gegenwart. Jede Begegnung mit einem Bild, jede Interaktion mit einem Menschen ist eine Augenblickserfahrung und sucht nach einer eigenen Form. Die Filmstruktur entwickelt sich aus der Begegnung mit den Künstlerinnen und ihren in den 1970er-Jahren entstandenen Werken: ein Aufeinandertreffen verschiedener Medien, Bildsprachen und Blickwinkel. In meiner Kamera- und Montagearbeit geht es immer um Dialog, das Dazwischen und die Rolle der Kamera als Akteurin im Moment der Aufnahme.
Wie sehe ich mehr als ich weiß? Die Idee der Aneignung in Form des Dialogs: sich etwas zu eigen machen, durchzieht meinen gesamten Arbeitsprozess. Der Austausch über Werke, Material, Blicke und Gesten basiert auf Empathie und ist eine feministische Strategie, um den Zeitgeist der Frauenbewegung und die Energie des Widerstands aus der Sicht der Künstlerinnen zu begreifen. Die Kamera dient als Blickwerkzeug und erzeugt eine Art Zwischen-Sicht auf die Künstlerinnen und ihr Schaffen, um das eigene Sehen und Denken in Bewegung zu setzen. Vergangenheit aktualisiert sich in der Gegenwart und Blicke werden entlang der Bildoberfläche zu Berührungspunkten. Die Kamera erzeugt damit nicht nur eine Blickrichtung, sondern ermöglicht ein gegenseitiges Wahrnehmen, ein Sehen und Gesehenwerden. Der Film schafft ein performatives Archiv durch die Interaktion mit den Künstlerinnen – als Treffpunkt für Neuschreibungen und Umverteilung von Aufmerksamkeit. Drehort für diese einmaligen Zusammenkünfte ist das Atelier der Filmemacherin – ein Raum für Begegnungen im Blick der Anderen. Das Dialogische des Films manifestiert sich auf der Tonspur durch Gespräche mit den Künstlerinnen. Was eine Frau ausmacht, und somit auch eine Künstlerin, ist sozial, gesellschaftlich und diskursiv konstruiert. Die Gespräche geben Einblick in den Zeitgeist der Nachkriegszeit, die Rolle der Frau in der Gesellschaft, die Platzverweise als Hausfrau, Ehefrau und Mutter, das Studieren ohne weibliche Vorbilder, die Aufbruchsstimmung und (mediale) Selbstbefreiung in den 1970er-Jahren, den Ausbruch aus einer kunsthistorisch tradierten Festschreibung von Weiblichkeit. Die Montage schafft Verbindungen und Echos zwischen den Protagonistinnen und ihren Werken durch ineinandergreifende künstlerische, persönliche und gesellschaftspolitische Sichtweisen.
Zusammenhänge von Kunstpraxis, politischem Aktivismus und Privatleben zeigen sich entlang der mehrstimmigen Tonspur zu Beginn des Films und in den darauf folgenden fünf Szenenbildern. Frühe Werke – eine Fotoserie, Installation, Performance, Zeichnungen, objets trouvés – werden transformiert. Im Moment der filmischen Aneignung ändern die Kunstwerke als Dokumente der Zeit ihre Gestalt – durch Tageslicht, Kameraeinstellung, Rekonstruktion und Animation – und thematisieren die Bedingungen des Sichtbaren und des Sichtbarmachens. Was gibt ein Objekt frei? Was kann meine Kamera- und Montagearbeit transformieren? Wie versetze ich Kunstwerke in Bewegung? Wo dringt Licht ein? Das Nachleben der Werke berührt den Bereich der Übersetzung und Übertragung. Bildmaterial und Bildträger werden durch künstlerische Strategien der Aneignung filmisch re-/animiert und de-/konstruiert: ein Eintauchen in die Materialität und individuelle Beschaffenheit, ein Manipulieren ihrer Wahrnehmbarkeit. Dabei werden Arbeitstechniken der feministischen Kunstproduktion der 1970er-Jahre wie serielle S/W-Fotografie, Selbstauslöser, Dunkelkammer, Super8-Film und kinematografische Objekte wie die Leinwand und Blackbox zu tragenden Motiven meiner Bildsprache.